Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, in der ich nicht Fahrrad fahren konnte. Ganz im Gegenteil beginnt meine Erinnerung bei meinen Großeltern im Emsland, als ich gelernt habe, auf meinem kleinen roten Stahlpony die Balance zu halten. Die ersten Spazierfahrten mit Opa, die schnell zur täglichen Routine wurden und die Wettrennen zuhause um unsere runde Spielstraße erweiterten meinen Erfahrungsschatz und machten mich zu einer immer geübteren Fahrerin. Was für ein Gefühl, als ich nach stundenlangem Üben endlich freihändig fahren konnte!

In unserer Gegend gehört das Fahrrad zum Leben, wie der Teebeutel zur Kanne und der Fahrrad-Flick-Kurs zum Standardrepertoire in der Grundschule. Ein Fahrrad zu besitzen war schon immer ein wertvolles Gut, das einem Freiheit und Unabhängigkeit schenkte, wenn es einen zu den geliebten Freunden, Pferden oder Süßigkeitenläden brachte. Die Tage, an denen ich nicht mit dem Fahrrad zur Schule gefahren bin, kann ich an meinen Fingern abzählen. Ob Wind, Regen oder zentimeterhoher Schnee, mit Regenhose und Cape haben wir unser Ziel auch unter den widrigsten Umständen erreicht. Meinen Hobbys konnte ich nur dank meines Fahrrads nachgehen, das mich zuverlässig und pfeilschnell zum Reiterhof und zu den Fußballplätzen der Umgebung brachte. Das Fahrradfahren an sich empfand ich dabei nie als anstrengend. Ob das wohl daran liegt, dass ich schon so lange fahre? Wenn ich jetzt an meine schönsten Erinnerungen zurückdenke, merke ich, bei wie vielen von ihnen ein Fahrrad am Rand steht.

Ich hatte bisher immer Glück mit meinen Rädern und habe jedes einzelne so geliebt, dass sie in meiner Phantasie Namen bekamen und nicht selten sogar zu Pferden wurden (und werden *hihi*), mit denen ich die Straßen entlang galoppierte und die mir bei jeder Fahrt halfen, Abkürzungen zu finden, um noch schneller zu werden. Die Tatsache, dass wir in der fünften Klasse um zwanzig nach sieben losfuhren, um nach drei Kilometern pünktlich um acht Uhr in der Schule zu sein und ich in der Oberstufe bis zwanzig vor acht im Bett liegen konnte und es reichte, mich um sieben Minuten vor acht (!) auf den Weg zu machen, spricht eindeutig für den Optimierungserfolg, der meinen Rädern und mir gelungen ist!

Besonders gern denke ich an mein erstes „Sechsundzwanziger“ zurück, das Opa in einem Fahrradladen gefunden hatte. Wenn es größentechnisch gepasst hätte, würde ich noch heute damit fahren. Es hatte einen coolen Achterlenker und war ganz bunt und ich würde immer noch meine Hand ins Feuer legen, dass dieses Rad die beste Übersetzung von allen Rädern auf der Welt hatte. Dieses wunderschöne und schnelle Fahrrad hat mich überall hingebracht und schaffte vor allem die fünf Kilometer zu meiner Reitbeteiligung in die Bauernschaft in Rekordzeit. Als ich zu groß geworden war, waren in unserer kleinen Stadt Hollandräder angesagt und obwohl es mit achtundzwanzig Kilo ziemlich schwer war, liebte ich auch mein knallrotes „Feuerwehrrad“, das mich sogar in meine Studienstadt begleitete.

Leider muss ich zugeben, dass ich nicht nur gerne schnell, sondern auch rasant fahre und ich wenig Rücksicht auf die Fahrräder und das Wohlergehen ihrer Technik genommen habe, wenn es zum Beispiel um Bordsteinkanten oder Schlaglöcher ging. Eirige Reifen mit fehlenden Speichen, abgebrochene Kunststoffteile und lockere Schrauben waren und sind oft das Resultat meiner Fahrweise. Dafür macht es einfach zu viel Spaß auf gewohnten Strecken die Ampelphasen zu studieren und das Tempo so anzupassen, dass man im besten Fall in einem Rutsch durchkommt.

Und obwohl ich nie einen Grund hatte, fahrradtechnisch etwas zu vermissen, fragte ich mich insgeheim, wie cool und schnell es doch sein müsste einmal auf einem Rennrad zu fahren…